Samstag, 24. Januar 2009
 
hellwach - nicht „ministrabel“? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Hellwach   
Sonntag, 4. November 2007

Eine Frau mit Messer in der Hand, die gegen Gewalttäter aufsteht, ist Frauenministerin Doris Bures zu stark für eine Veranstaltung, bei der die Gewaltschutzgesetze gefeiert werden.
[Update 8.11.07 im Anhang]



Das kunstpolitische Projekt „hellwach – bei Gewalt an Frauen“ wurde eingeladen, eine Ausstellung zur internationalen Tagung „10 Jahre österreichische Gewaltschutzgesetze“ im Palais Auersperg vom 5.-7. November zu gestalten.

Der dreitägige Kongress wird von Frauenministerin Doris Bures gemeinsam mit Innenminister Günther Platter veranstaltet. Geplant und durchgeführt wird er von der Interventionsstelle Wien und dem Gewaltschutzzentrum NÖ, die uns eingeladen hatten.

Zwei Werktage vor Kongressbeginn wurde unsere Ausstellung/Installation in vollem Umfang vom Büro der Frauenministerin Bures abgelehnt.

Zwei Arbeiten (Bild und Text) wurden als „nicht ministrabel“ eingestuft. Nach dieser Ablehnung forderte das Ministerbüro Bures unsere Glückskeks-Texte an. Auch sie wurden zur Gänze abgelehnt, ebenso unsere Bitte um eine schriftliche Absage.

Wir finden es äußerst bedenklich, wenn es nicht mehr möglich ist, künstlerische Statements zum öffentlichen Diskurs anzubieten. Wenn Ausstellungen, die brisante Themen aufgreifen (bereits im Vorfeld) als „nicht ministrabel“ eingestuft werden und einfach unkommentiert von der Bildfläche „verschwinden“ sollen.

Gerade für uns als kunstpolitisches Projekt ist das Benennen, Darstellen und Sichtbarmachen von brisanten Themen (z.B. Vergewaltigung in der Familie, die Abhängigkeit der Migrantinnen von ihrem Ehemann), Fokus unserer Arbeit. Es sind Inhalte, die am Kongress Thema sein werden. Alle Gewaltschutzeinrichtungen finden die derzeitige Gesetzeslage sehr problematisch.

Es stellt sich die Frage, ob Kunst noch politisch und feministisch sein darf und - wenn die Kunst die Tochter der Freiheit ist (nach Schiller) – wie frei KünstlerInnen arbeiten können.

Die „nicht ministrable Ausstellung“ wird nicht unkommentiert von der Bildfläche verschwinden, sondern ab Di, 6. November ab 19 Uhr im Frauencafé, Langegasse 11 im 8. Bezirk gezeigt. Da die Bilder für die große Räumlichkeit im Palais Auersperg anfertigt sind, werden die Arbeiten mittels Beamer projiziert. Zum Versüßen des Abends gibt es die „heisse Ware“ – die Glückskekse mit Inhalt.

Der Stein des Anstoßes

Auf dem einen Bild ist vor einem österreichischen Dorf eine selbstbewusste muslimische Frau abgebildet. Der Text dazu lautet: „Wir fordern einen autonomen Aufenthaltsstatus für Migrantinnen! Sie sind sonst rechtlos der Gewalt durch den Ehemann ausgesetzt.“ In der zweiten Arbeit ist eine abstrahierte Frauenfigur zu sehen, die in einer Hand ein Messer und in der anderen Hand ein Schild (Auge) trägt - ein Symbol der Wehrhaftigkeit der Frau. Der Text dazu lautet: „Viele Frauen und Mädchen sitzen zu Hause in der Falle. Vergewaltiger wir kriegen dich!“

Das Konzept zur geplante Ausstellung/ Installation:

Sechs großformatige Bilder mit Texten zum Thema Gewalt an Frauen, werden im Stiegenbereich des Palais Auersperg an den sechs kaiserlichen Büsten angebracht. Der andere Teil der Installation konzentriert sich auf die Gestaltung des barocken Brunnens, über dessen Löwen die zwei Meter großen „hellwach-Augen“ montiert sind. Davon abgespannt, in einer Folie, sind Glückskekse mit speziellen Botschaften zum Thema Gewalt an Frauen zur freien Entnahme. Die Statements in den Keksen sind zweisprachig (deutsch/türkisch und deutsch/serbo-kroatisch). Eine Toninstallation lenkt zusätzlich die Aufmerksamkeit auf den Brunnen.

Was ist hellwach?

hellwach ist eine kunstpolitische Intervention im öffentlichen Raum zum Thema „Gewalt an Frauen“. Es verortet sich an der Schnittstelle zwischen Kunst, Soziales und Politik. Wir nutzen den öffentlichen Raum als Aktions-, Ausstellungs- und Präsentations-Ort.

Im Projektjahr 2006 verteilten wir 16.000 Glückskekse in ganz Tirol und Wien und unsere Leuchtinstallation strahlte zwei Monate lang die Botschaft: „hellwach – bei Gewalt an Frauen“ vom Tiroler Landesmuseum in Innsbruck. Zusätzlich organisierten wir eine große Solidaritäts- und Spendenaktion für das bedrohte Autonome Tiroler Frauenhaus. Unsere kunstpolitische Intervention trug u.a. dazu bei, dass das Frauenhaus sein 25-jähriges Bestehen überleben konnte und heute abgesichert ist.

Im Dezember 2006 waren wir vom AÖF und Mag.a Barbara Prammer ins österreichische Parlament eingeladen, um als Kunstprojekt den Auftakt für die Europarats-Kampagne 2007 gegen häusliche Gewalt an Frauen mitzugestalten.

Derzeit ist hellwach im 16. Bezirk in Wien mit einer breit angelegten Öffentlichkeits- und Präventionskampagne vertreten.

Projektleiterinnen:
Carla Knapp & Angela Zwettler
www.hellwach.info


Update 8.11.07

Die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Frauen (AUF) sandte einen diesbezüglichen Protestbrief an die Frauenministerin un erhielt folgende Antwort:

Sehr geehrte AUF-Frauen,

bezugnehmend auf Ihr mail vom 4. November 2007 zu "Ministerielle Zensur eines Kunstprojekts" möchte ich Sie gerne über folgendes informieren: Das Frauenministerium ist nicht Veranstalter der internationalen Tagung "10 Jahre österreichische Gewaltschutzgesetze" sondern zählt gemeinsam mit dem Innenministerium zu den Sponsoren.

Mitarbeiterinnen des Ministeriums haben den Veranstalterinnen auf ihre ausdrückliche Anfrage mitgeteilt, dass es die geplanten künstlerischen Installationen teilweise für problematisch hält. Und zwar jene, die - ohne inhaltliche Bewertung - missverständlich als Forderung aller an der Konferenz Beteiligten ("wie fordern") aufgefasst werden könnte. Und vor allem jene, die in eklatantem Widerspruch zum Inhalt der Tagung steht, nämlich sich deutlich gegen jede Form der Gewalt auszusprechen. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass keineswegs bloß eine abstrakte Figur sondern ganz gegenständlich ein Messer abgebildet ist.

Die Freiheit der Kunst wird nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: Die Ministerin unterstützt Künstlerinnen und fördert kritische Kunstprojekte. Auch sie hält künstlerische Auseinandersetzungen als ein ein wichtiges Mittel, gesellschaftliche Themen zu transportieren und die Diskussion darüber anzuregen. Wenn es um das Thema Gewalt geht ist ein besonders sensibler Umgang mit den Botschaften, die dabei vermittelt werden, geboten.

Mit besten Grüßen
Ilse König
Büroleiterin
Büro der Bundesministerin für Frauen, Medien und Öffentlichen Dienst

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